Montag, 3. März 2014

12: Suboptimale Sprachverwendung in der Basler Zeitung

Festhalten, anschnallen, heute wird's kritisch. Ich analysiere die sprachlichen Missstände in einer Zeitung, die seit ihrer Übernahme durch Personen aus rechtsorientierten Kreisen an Qualität und glücklicherweise auch entsprechend an Lesern eingebüsst hat: Die Basler Zeitung (BaZ). Das Problem: Die politische Ausrichtung ist zu deutlich spürbar, und manche Berichte verletzen sogar, mal mehr, mal weniger stark, die Regeln des objektiven journalistischen Schreibens. Von Vertretern welcher politischen Seite die Zeitung geführt wird, darf bei der allgemeinen Berichterstattung eines solchen Meinungsbildungsmediums in einer direkten Demokratie keinesfalls durchscheinen. Das dem aber in der BaZ immer wieder so ist, lässt sich linguistisch verschiedentlich nachweisen, wie mir auffiel.

Es hat sich in Diskussionen im Vorfeld dieses Posts (leider) herausgestellt, dass ich zunächst etwas Grundlegendes klar stellen muss - auch, um zu zeigen, dass meine Ausführungen Hand und Fuss haben: Objektivität ist ein elementares Kriterium für die Berichte einer solchen Zeitung. Punkt, aus, Ende. Subjektivität ist nur in separaten Kommentaren erlaubt. Ich studiere im Gebiet der angewandten Linguistik, habe dabei verschiedenste Textsorten näher kennengelernt und mich selbst im Verfassen journalistischer Texte geübt und kenne folglich die Regeln. Für die letzten Zweifler zitiere ich im Folgenden eine Internetquelle und Fachliteratur:

"Grundsätzlicher Anspruch des Journalismus ist Objektivität. Der Journalist muss zwischen Fakten (Nachrichten) und Meinung (Kommentar) unterscheiden. Eine subjektive Meinung sollte in Nachrichten keinesfalls einfließen. Wenn dies dennoch geschieht, so muss diese Meinung gekennzeichnet werden (z.B.: als Kommentar)." (http://odl.vwv.at/deutsch/odlres/res3/TEXTBETRACHTUNG_nicht-literarischer_Text/03theorietextbetrachtung_nicht.htm)

"Im Bericht werden die Sachverhalte dargestellt und die Hintergründe dazu beleuchtet. Ursprünglich beruhte der Bericht auf Augenzeugenschaft. Dann genügte das Sammeln, Ordnen, und Darstellen selbst erarbeiteter oder kritisch übernommener Einzelheiten, die zu einem Ganzen zusammengesetzt werden. Berichte haben sachlich zu sein, bündig, klar, lückenlos, objektiv und glaubwürdig. Alle möglichen und notwendigen Gesichtspunkte sollten berücksichtigt werden, wobei parteiliche Stellungnahme ausscheidet." (Strassner, Erich (2000): Journalistische Texte. Tübingen: Niemeyer)

So, die theoretische Grundlage hätten wir. Jetzt werfen wir doch mal einen Blick in die allgemeine Berichterstattung der BaZ. Was wir dort den journalismussprachlichen Regeln zufolge nicht finden dürfen, sind Anzeichen von Subjektivität, wie etwa fehlende Kennzeichnung von Meinungen, nicht objektive Stile in der Wortwahl, pauschale Behauptungen, die als Tatsachen dargestellt werden, plakative, schwer haltbare Verallgemeinerungen etc.

Hier eine Schlagzeile vom 5.2.14: "Verkehrsregime Innerstadt: Regierung krebst zurück". Die Regierung hat sich also laut BaZ nicht etwa "umentschieden" oder nach reiflicher Überlegung "den Kurs gewechselt", sondern traut sich nun doch nicht, den eigentlich geplanten Weg zu gehen, und weicht deshalb feige zurück. "Zurück krebsen" ist negativ konnotiert, man kann "depreciatory style" feststellen, und ein solcher Stil ist ein Indiz für Subjektivität. Man kann die rechte Regierungsverdrossenheit schon bei der Schlagzeile spüren. Nicht gut. Oder schauen Sie mal hier:







                                                        Der Unia wird in diesem Artikel von Anfang an pauschal unterstellt, die Messe Baselworld als Werbeplattform missbrauchen zu wollen. Wieder drückt der Stil der Wortwahl im Artikel Wertungen aus ("Kampfzone", "Missbrauch", "Katastrophe", "Störaktion") und allein schon die Tatsache, dass die Baselworld noch gar nicht begonnen hat, lässt eine solche sprachliche Darstellung der Dinge aus objektivem Blickwinkel nicht zu. Doch Schlagzeile und Leadsatz suggerieren linguistisch gesehen, dass es sich um eine erwiesene Tatsache handelt. Es heisst noch nicht einmal "Der Unia wird vorgeworfen" oder "Es scheint, dass..."! Stattdessen formuliert man so, als wisse man genaustens, was Sache ist. Doch sogar der Artikel selbst zeigt im weiteren Verlauf, dass die Vorwürfe nichts weiter als Mutmassungen sind, formuliert von Journalisten, die mit der linksorientierten Unia wenig sympathisieren - Personen aus dem Rechtssektor. Da heisst es dann doch plötzlich, es werde nur "vermutet" (die einzigen, die im Artikel Vermutungen äussern, sind solche, die die offensichtliche Meinung der BaZ unterstützen. Die Unia habe sich nicht äussern wollen - diese Bemerkung muss scheinbar für den Standpunkt der Gegenseite ausreichen). Der Topkommentar zum Artikel auf bazonline lautet in bezeichnender Weise: "Die UNIA ist ja nur noch ein Haufen linker Profilneurotiker mit einem geschützten Arbeitsplatz. Früher war das bei der richtigen Gewerkschaften (sic!) anders...". Da liest einer zwischen den Zeilen und bringt die Essenz schön auf den Punkt!

In einem weiteren suboptimalen Artikel geht es um einen brisanten Entscheid, den kürzlich das Bundesgericht fällte. Ein Polizist hatte an der Uhren- und Schmuckmesse in Basel 2007 einen algerischen Asylbewerber wegen Verdachts auf Taschendiebstahl verhaftet, ihm Handschellen angelegt und ihn dann öffentlich als "Sauausländer" und "Drecksasylant" bezeichnet. Die Basler Justiz verurteilte den Mann wegen rassendiskriminierender Beschimpfung zu einer bedingten Geldstrafe. Das Bundesgericht befand nun, die verwendeten Schimpfwörter seien nicht rassistisch. Hier die Schlagzeilen und Leads der BaZ und der Konkurrenzzeitung BZ Basel dazu im Vergleich:



Im Zentrum steht hier, dass der Polizist Recht bekam. Und da, schon wieder: Durch die verwendete Sprache wird ausgesagt, die Basler Gerichtsurteile seien aus objektiver Sichtweise falsch. Sie werden nicht "vom Bundesgericht als falsch angesehen", sondern sie sind es hier. Im Artikel kommt ausschliesslich SVP-Vertreter Eduard Rutschmann zu Wort, mit dessen Aussagen man die Subjektivität "rechtfertigt": Man zeigt mit den Zitaten, dass es sich nur um eine Meinung handelt - es bleibt aber die einzige vertretene Meinung im Artikel. Wo bleibt die Möglichkeit zur freien Meinungsbildung?




Hier die BZ: Es wird nicht plakativ die eigene Meinung gezeigt. Stattdessen fragte man bei Spezialisten für Rassismusfragen an und liess diese den Fall bewerten. Im Artikel kommen auch nicht nur diese Experten, sondern verschiedenste andere Persönlichkeiten zu Wort, die Meinung des Verfassers ist nicht erkennbar. Der Artikel ist voller vorsichtiger Kennzeichnungen von Meinungen und subjektiven Aussagen in Form von Präpositionen wie "laut" und "gemäss" und indirekter Rede, womit die nötige objektive Darstellung erreicht wird.

Die BZ Basel wirbt nicht umsonst mit einer Kinowerbung, in der Basler Bürger Dinge sagen wie: "Ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich zu denken habe! Aber ich lasse mich gern zum Denken anregen!", oder "Ich möchte mir unabhängig eine Meinung bilden können." Denn genau das sollte sich eine Zeitung auf die Fahne schreiben, die der BaZ erfolgreich die LeserInnen streitig machen möchte: Neutralität und Objektivität in puncto Inhalt und Sprache. Halten wir uns an Meinungsbildungsmedien, die darauf besser Acht geben und diese Bezeichnung folglich verdienen. Be aware!

-Der Sprachbeschreiber

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